Interview
Journalistische Darstellungsformen: Interview und Portrait im Kultur- und Modejournalismus, Dozentin: Ina Köhler
Cindy Tabbert
Bands, Burnout und Brötchen
In der Musikbranche Fuß zu fassen ist schwierig. Das weiß auch Christian Schwarz, Musikproduzent aus Berlin. Er hat es geschafft, sein Hobby zum Beruf zu machen. Wie das geklappt hat, über welche Hürden er gestolpert ist und wie es in Zukunft weiter gehen soll, erzählt er mir in einem Zoom-Meeting.
Fangen wir mal direkt philosophisch an: Auf deiner Website steht „Musik ist mehr als Worte“ – was ist Musik für dich?
Schwarz: Damit meine ich, dass der Text total wichtig ist, aber es kommt noch viel mehr rüber. Wenn es zum Beispiel um Schmerz geht, dann kommt er nicht nur über die Worte rüber, sondern auch über den Klang der Stimme oder der Instrumente. Musik ist ein ganzes Gebilde.
Wolltest du schon immer etwas mit Musik machen?
Schwarz: Ja. Also in meiner Kindheit wollte ich LKW-Fahrer oder Pilot werden. Als ich erwachsener geworden bin, habe ich mich ziemlich schnell für Musik entschieden. Ich habe mit acht Jahren angefangen, Keyboard zu spielen und es war schon früh abzusehen, dass es in diese Richtung gehen wird.
Was hast du studiert?
Schwarz: Ich habe Populäre Musik und Medien in Paderborn und Detmold studiert und habe mit dem Bachelor abgeschlossen. Dann gab’s natürlich noch ein Praktikum. Das habe ich in Frankfurt gemacht bei dem großen Label Cocoon. Nebenbei habe ich noch in Salzkotten in der Werbemusik gejobbt.
Du hast in Paderborn gewohnt. Wieso bist du nach Berlin gezogen?
Schwarz: Ich komme aus dieser Ecke hier. Meine Eltern wohnen in Greifswald an der Ostsee und ich hatte das Bedürfnis, wieder in diese Region zu gehen. Früher war ich der Meinung, dass Hamburg vielleicht das Richtige sein könnte, aber irgendwie hat es sich so ergeben, dass Berlin mich mehr in den Bann gezogen hat. Wir haben auch mit der Band schon öfter in Berlin gespielt und hatten schon einige Verbindungen zu Clubs. Außerdem haben sich einige Jobmöglichkeiten ergeben und so wurde es Berlin. Als Musiker machst du nichts falsch, wenn
Christian Schwarz
du nach Berlin gehst. Ein guter Spruch über Berlin: Du wirst nicht schneller berühmt als woanders, aber du kannst länger nicht berühmt bleiben.
Du sprichst von einer Band. Magst du mehr darüber erzählen?
Schwarz: Ich habe neben meinem Studium eine Band gegründet mit dem Namen We are Cecile. Die hat sich 2008 bis 2012 gehalten. Es gab Probleme mit der Entfernung, da ich 2012 nach Berlin gezogen bin. Bis auf den Schlagzeuger haben alle anderen Mitglieder in NRW gelebt. Es gab Kommunikations- und Motivationsprobleme, was im Nachhinein sehr schade ist. Die Band war ein absolut wichtiger Punkt in meinem Leben. Mit 16 Jahren habe ich angefangen, Gitarre zu spielen und dann gab’s auch schon bald die erste Band. Da sind wir auch schon viel umher getourt. Wir haben in Rostock und hier in der Region gespielt. Als ich dann zum Studieren nach Paderborn kam, war es absehbar, dass sich die alte Band auflöst. Und dann habe ich in Paderborn We are Cecile gegründet. Wir haben eigentlich fast in allen deutschen Großstädten gespielt: Hamburg, Berlin, Rostock, Leipzig, Hannover und so weiter. Auch in Holland und in der Schweiz haben wir mal gespielt. Das war eine wirklich tolle Zeit.
Du produzierst Musik aller Richtungen. Welche Musik hörst du privat am liebsten?
Schwarz: Ich höre viel aus den 80ern und 90ern. Einfach klassische Songs, die was haben. Wenn ich es in ein Genre fasse, höre ich am meisten Pop-Musik. Auch viel Underground, da ich auch viel Underground-Musik mache. Ich mag einfach gut produzierte Songs mit einer gewissen Raffinesse.
Nennst du mir einen von dir produzierten Lieblingssong?
Schwarz: Ich liebe natürlich alle meine Songs. Aber ich bin sehr stolz auf den Song Unequal von Dusky Rabbit. Ich mag die Ideen, die ich bei der Produktion hatte und mag einfach, wie er klingt.
Wie würdest du deine Musik beschreiben?
Schwarz: Mein Sound ist klar. Als wenn die Musik durch Glas oder einen Kristall geht und ganz sauber aufgespalten wird. Und dann aber trotzdem fett mit viel Punch und Attack. Das ist meine Ästhetik.
Hast du ein Vorbild?
Schwarz: Ja. Peter Gabriels Song Sledgehammer. Ein alter Song. Als Kind fand ich den Song unglaublich faszinierend und er klang viel besser, als alle anderen. Dann gab es noch einen Electronic Artist der hieß Gaiser. Der hatte auch einen ganz kristallinen, klaren und fetten Sound. Aber für den Pop waren es Calvin Harris und Swedish House Mafia. Es gibt so viele gute Produzenten, aber auschlaggebend war wirklich Peter Gabriels Sledgehammer.
Wie ist es, sein Hobby zum Beruf zu machen?
Schwarz: Schwierig. Ich habe nebenbei gejobbt und habe mich nicht getraut, mein Hobby zum Beruf zu machen. Hast ja auch Eltern, die einem reinreden, soziale Erwartungen, aber auch eigene und finanzielle. Dann habe ich in Berlin bei BMG gearbeitet, einem Musikverlag. Da habe ich mit 30 Stunden angefangen. Dann wurde mir reingequatscht ‚mach doch Festanstellung mit unbefristetem Arbeitsvertrag‘. Nebenbei habe ich aber weiter Musik produziert und Songs geschrieben. Zum Beispiel habe ich viel mit Noor Akmurad gearbeitet und wir haben noch heute das Projekt ‚Morado & Schwarz‘. Wir haben ein ganzes Album gemacht, welches bei Warner Brothers unter Vertrag genommen wurde. Ich hatte außerdem einen Burnout und kann sagen, dass man einen Burnout bekommt, wenn man für eine Sache brennt, die nicht deine eigene ist. Es war eine Hassliebe, der Job bei BMG. Ich habe mich immer gefragt, wieso ich die Zeit, die ich da verbracht habe, nicht in das, was ich liebe investiert
habe. Mithilfe des Albums habe ich mich entschieden, mich selbstständig zu machen. Das Album hängt heute auch bei mir an der Wand.
Also geht es dir besser, nachdem du deinen Weg gefunden hast?
Schwarz: Ja. Ich bin ein neuer Mensch.
Selbstständig sein. Selbst und ständig. Wie viel Zeit steckst du in deinen Beruf?
Schwarz: Ich habe meinen Beruf auch zu Hause. Habe mein Home Studio und fahre auch zu Kunden. Ich unterrichte außerdem an einer Schule in der 7. Und 8. Klasse Musikproduktion in einer AG. Es ist ein Spagat zwischen ‚mache ich genug oder ist es zu wenig?‘. Ich mache schon viel, aber ich mache mich auch nicht kaputt. Ich möchte Musik nicht als Bürde empfinden. Manchmal ist es wirklich viel und dann macht es keinen Spaß mehr, was aber nur passiert, wenn ich nur Dienstleister sein kann und nicht kreativ werden kann.
Wurdest du früher in deinem Wunsch, Musik zu machen, unterstützt?
Schwarz: Warum ich das alles jetzt mache ist, weil ich das zurückgeben möchte, was ich gern gehabt hätte. Ich hätte es mir gewünscht, dass mich jemand in jungen Jahren gefördert hätte. Meine Eltern haben mir zum Beispiel ein Keyboard und den Computer gekauft und mich so schon unterstützt. Sie haben sich nur nicht getraut, das ernst zu nehmen. Das finde ich im Nachhinein schade. Sprüche wie ‚aus dir muss doch was werden‘. Die Ängste der Eltern werden so auf die Kinder übertragen. Meine Eltern konnten mich auch nicht so lange unterstützen, bis ich Geld mit meiner Musik verdient habe. Ich sag mal so: mit 20 Jahren hätte ich noch nicht von meiner Musik leben können. Ich habe mir alles selbst beigebracht mit Studium, Büchern und YouTube.
Wenn du zurück in die Vergangenheit reisen könntest, würdest du etwas anders machen?
Schwarz: Ich würde vieles anders machen, mit dem Stand, den ich jetzt habe, aber damals war es alles richtig. Ich konnte nicht anders, denn ich wusste nicht, was ich tat. Ich hätte mir gewünscht, dass ich schneller zu mir gefunden hätte. Aber es hat so lange gedauert, wie es gedauert hat. Wenn ich jetzt auf mein 20-jähriges Ich treffen würde, würde er mir nicht glauben. Wir müssen immer dankbar sein für die Geschichte, die wir haben. Ohne die Dinge, die passiert sind, wären wir nicht da, wo wir jetzt sind.
Hast du Wünsche oder Ziele für die Zukunft?
Schwarz: Ja. Ich wünsche mir, dass ich weiter Musik mache und Songs schreibe. Ich habe viele tolle Projekte und Künstler. Mein Wunsch ist es, den einen oder anderen Künstler dorthin zu bringen, wo er sein möchte. Ich wünsche mir schon, dass mal ein Song größer im Radio läuft. Es liefen schon Songs von mir im Radio, aber nur im nächtlichen Programm. Mein größter Wunsch ist es, weiter machen zu können. Ich sage immer: ich backe kleine Brötchen, aber ich bin ganz froh, dass es meine Brötchen sind. Und nebenbei habe ich angefangen Heilpraktiker in der Psychotherapie zu lernen. Mittelfristig möchte ich auch eine eigene Praxis haben.
Wie bist du darauf gekommen?
Schwarz: Das sprengt jetzt den Rahmen. Aber es ist einfach die Geschichte, die einen dahin bringt. Die Wunden, der Burnout oder Erfahrungen mit Partnerschaften und schlimmen Ereignissen, wo das Leben zu dir ruft „guck mal hin, denk mal nach und reflektier mal“. Ich habe ziemlich exzessiv gelebt, war DJ und habe viel Party gemacht. Und wenn du deinen Fokus nur auf Musik, Party und Spaß haben legst, ist es vielleicht erstmal schön, aber du vernachlässigst Bedürfnisse, die du in diesem Moment gar nicht bemerkst. Ich habe mich schon immer für Psychologie interessiert und bewerbe mich jetzt auch noch mal fürs Studium.
Was möchtest du anderen Menschen mit auf den Weg geben?
Schwarz: Man sollte rauskriegen, was man will und wer man im Herzen ist und dann natürlich versuchen, danach zu leben. Man muss sich trauen, die Hürden zu nehmen. Hinterher hast du vielleicht wenig Geld, aber du kannst deine Passion ausleben, was unbezahlbar ist. Hör auf dich, lass dir da nicht reinquatschen und nimm dir auch mal Zeit für dich. Ich habe mir lange keine Zeit für mich genommen. Dabei ist es nötig, dass man Zeit mit sich verbringt, um sich wirklich kennenzulernen.
Danke für dein Interesse!
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